Vor mehr als 5 Jahren erstellte ich ein Video zu einer Methode, die ich „Dreischritt“ nannte. Zumindest dachte ich – vielleicht etwas naiv – dass ich die Methode erfunden hatte. Ein wütender Kommentator verwies mich auf die Arroganz dieser Annahme. Unabhängig davon, wer eine Methode „erfunden“ hat, ist der Dreischritt ein sehr sinnvolles Werkzeug, wenn es darum geht, mit Texten zu arbeiten, die man in die eigene Argumentation oder Interpretation einbezieht.
Texterörterungen und Analysen literarischer sowie sachlicher Texte gehören zu den grundlegenden Aufgaben im Deutschunterricht. Dabei stellt sich oft die Frage, wie man eigenständige Gedanken und Textverständnis klar und strukturiert formulieren kann. Dies führt immer wieder zu einen grundsätzlichen Problem.
Das Problem
Das Problem, das Schülerinnen und Schüler haben, ist meiner Erfahrung nach 10 Jahren oftmals der, dass es schwierig ist, die Aussage eines Textes nicht einfach „für sich sprechen“ zu lassen. Ein Schüler sagte mal: Was soll ich denn da analysieren? Das, was der Autor sagen will, steht doch da schon.“ Das bedeutet: Das „Hinter-den-Text-Schauen“, das Schreiben ÜBER den Text also, ist oftmals ein Problem.
Genau hier hilft die Dreischritt-Methode: Sie bietet eine präzise Struktur, bei der eigene Behauptungen durch Textstellen (Belege) gestützt und anschließend eigenständig erläutert werden. Besonders wertvoll ist diese Methode, weil nur der Beleg aus dem Text stammt, während die Behauptung und die Erläuterung eigenständig entwickelt werden. So wird gezeigt, dass man den Text verstanden hat und seine Aussage in den eigenen Gedankengang einordnen kann.
Wie immer bei solchen Strukturen muss man erwähnen, dass ein Text nicht einfach aus soundsovielen Dreischritten besteht. Vielleicht kann man sagen: Der Dreischritt ist ein Stützrad, das, wenn das Prinzip einmal verstanden worden ist, auch verändert, ergänzt und erweitert werden kann.
Was ist der Dreischritt?
Die Dreischritt-Methode besteht aus drei wesentlichen Schritten:
Behauptung: Eine eigene Aussage oder Interpretation über den Text.
Beleg: Ein Zitat oder eine konkrete Textstelle, die diese Behauptung aus dem Text stützt.
Erläuterung: Eine eigenständige Erklärung, in der verdeutlicht wird, warum der Beleg die Behauptung unterstützt und wie er im Zusammenhang mit der eigenen Interpretation steht.
Ein wichtiger Hinweis an der Stelle: Der letzte Schritt ist der, der meist am schwersten fällt und der entsprechend am meisten geübt werden muss (auch hier bietet sich das Feedback-Tool Fiete.ai an, über dessen Verwendung ich hier geschrieben habe).
Diese Methode hilft, die eigene Argumentation zu schärfen und eine fundierte Analyse zu erstellen, die über bloße Wiedergabe hinausgeht.
Wie wird der Dreischritt durchgeführt?
Schauen wir uns die Methode im Detail an. Wichtig ist, dass nur der Beleg direkt aus dem Text stammt. Behauptung und Erläuterung sind eigenständige Überlegungen.
Behauptung: Das Bildungssystem verfehlt oft sein Ziel, allen Schüler die gleichen Chancen zu bieten.
Beleg: „Immer häufiger sind es nicht mehr die Schulen, die über die Bildungserfolge der Schüler entscheiden, sondern das Elternhaus. Wer zu Hause Nachhilfe und zusätzliche Unterstützung bekommt, hat klare Vorteile gegenüber denen, deren Eltern das nicht leisten können.“
Erläuterung: Hier zeigt sich, dass soziale Ungleichheiten im Bildungssystem nicht durch die Schule ausgeglichen werden. Der Text verweist darauf, dass Kinder aus wohlhabenderen Familien von zusätzlichen Ressourcen profitieren. Dies unterstützt meine Behauptung, dass das Bildungssystem diese Ungleichheiten nicht ausreichend adressiert.
In diesem Beispiel wird deutlich, wie der eigene Gedanke (die Behauptung) durch eine Textstelle (den Beleg) gestützt wird, um dann durch die Erläuterung zu zeigen, wie der Beleg die Behauptung plausibel macht. Diese dreiteilige Struktur sorgt für eine klare Argumentation.
In einer entsprechenden Arbeit würden die Teile selbstverständlich ohne Erklärung zusammengeführt:
Das Bildungssystem verfehlt oft sein Ziel, allen Schüler die gleichen Chancen zu bieten: „Immer häufiger sind es nicht mehr die Schulen, die über die Bildungserfolge der Schüler entscheiden, sondern das Elternhaus. Wer zu Hause Nachhilfe und zusätzliche Unterstützung bekommt, hat klare Vorteile gegenüber denen, deren Eltern das nicht leisten können.“ Hier zeigt sich, dass soziale Ungleichheiten im Bildungssystem nicht durch die Schule ausgeglichen werden. Der Text verweist darauf, dass Kinder aus wohlhabenderen Familien von zusätzlichen Ressourcen profitieren. Dies unterstützt meine Behauptung, dass das Bildungssystem diese Ungleichheiten nicht ausreichend adressiert.
Ein weiteres Beispiel:
Behauptung: „Das Lernen wird zunehmend von äußeren Erwartungen beeinflusst, was die intrinsische Motivation der Schüler schwächt.“
Beleg: „Schon in der Grundschule wird der Fokus zu stark auf die Leistung gelegt. Es ist nicht die Neugierde der Kinder, die das Lernen antreibt, sondern die Noten und der Druck von außen.“
Erläuterung: „Der Text macht deutlich, dass bereits im frühen Bildungsstadium der Leistungsdruck im Vordergrund steht. Das stützt meine Behauptung, dass äußere Erwartungen die natürliche Lernfreude der Kinder beeinträchtigen und sie dazu drängen, eher für Noten als aus Interesse zu lernen.“
Auch hier wird durch den Dreischritt die Behauptung argumentativ gestützt, indem der Beleg aus dem Text gezogen und dann in die eigene Argumentation eingebettet wird.
Warum funktioniert der Dreischritt so gut?
Der Dreischritt verhindert, dass Schüler Texte einfach nur zitieren oder oberflächlich wiedergeben. Stattdessen zwingt er sie, eigenständige Behauptungen zu formulieren, diese mit einem Textbeleg zu stützen und schließlich eine eigene, gut fundierte Erläuterung hinzuzufügen. Besonders in der Texterörterung ist dies ein entscheidender Schritt, um zu zeigen, dass man nicht nur den Text versteht, sondern ihn auch analytisch in die eigene Argumentation einbauen kann.
Fazit
Die Dreischritt-Methode ist ein wirkungsvolles Werkzeug, um eigenständige Analysen und Erörterungen zu schreiben. Durch die klare Struktur aus Behauptung, Beleg und Erläuterung wird sichergestellt, dass Argumentationen fundiert und nachvollziehbar sind. Da nur der Beleg aus einem fremden Text stammt, zwingt die Methode Schüler dazu, eigenständige Gedanken zu entwickeln und präzise zu erläutern, wie diese durch den Text gestützt werden. Wer diese Methode beherrscht, wird nicht nur sicherer in der Texterörterung, sondern kann auch im Abitur zu höheren Punktzahlen gelangen.