Macht dehnt sich aus und konzentriert sich. Sie geht einher mit Dynamiken, die weit über einzelne Personen und Netzwerke hinausgeht. Macht ist das, was eine Bewegung, eine Idee, eine Gruppe wachsen lässt. In diesem Beitrag beleuchte ich Machtdynamiken auf der Basis der so genannten Rangdynamik nach Raoul Schindler und übertrage sein Modell in die moderne Zeit.
Macht verteilt sich, Macht konzentriert sich
Wir können es in der Politik beobachten: Die Macht verteilt sich einerseits immer wieder neu — und konzentriert sich andrerseits auf wenige Zentren. Wir sehen auch: Sie kommt nicht isoliert. Das “Trump II” soviel mächtiger auf die globale Ordnung wirkt als “Trump 1” ist auch eine Folge der guten Vorbereitung. Macht bildet regelrechte Klumpen, die zu immer stärker werdenden Steinen werden, die alles überrollen… Nur vordergründig hat das mit einer Person zu tun. Es steckt vielmehr dadrin und dahinter.
Machtdynamiken unterscheiden sich in Demokratien und Autokratien
Der König hat die Macht kraft seines Rangs. Er kann über Tod und Leben entscheiden. Wie er wirkt, das bestimmt seine Rolle. Denken wir nur an das Märchen von des Kaisers neue Kleider. Ist der Kaiser nackt, so wirkt er lächerlich. Um die Lachenden zu zähmen, kann er sein Volk bestrafen — er hat also auch immer Machtmittel. Autokratien leben von Machtkonzentration, Demokratien von ihrer Verteilung. In der Demokratie werden Systeme installiert, die sich gegenseitig in Schach halten.
Es geht also im Nebenordnung — statt Unterordnung
In der Autokratie gibt es ein System, das alle anderen kontrolliert. Es geht um Unterordnung. Auch Wirtschaftsunternehmen sind mal autokratischer (hierarchischer), mal demokratischer organisiert. Es gibt dann also mehr Nebenordnung: Statt Pyramide gibt es zum Beispiel Kreise, die in Selbstorganisation entscheiden. Die Nebenwirkung: Die Ränge sind weniger klar, die Grenzen offener und weniger an Personen gebunden und der Kontrolle unterworfen. Hier bilden sich Positionen aus, die sich von den formalen Rängen lösen können.
Was sagt die Rangdynamik zur Macht?
<p><p><p><p><p><p><p><p><p><p><p><p><p><p><p><p>Die Rangdynamik fügt der Rolle und dem Rang etwas hinzu: Die Position. Das ist sowas wie das Verhältnis zueinander. Somit ist die Rangdynamikmodell ein Positionsmodell, nach welchem die Positionen in Gruppen durch dynamische Prozesse vergeben, gehalten und verändert werden.
Es ist also mehr als die Rolle, die jemand dauerhaft oder zeitweise einnimmt. Es kann sich entkoppeln vom Rang. Und es geht auch darum, wie sich die Macht verteilt und in welche Richtung sie sich bewegt. Genau das ist eine wichtige Perspektive auf die Dynamik der Macht. Denn diese Dynamiken beziehen sich auf alle sozialen Systeme. Auf die festen und institutionalisierten wie Teams genauso wie auf die Interaktionssysteme, nach Niklas Luhmann also die Kommunikation im gegenwärtigen Moment.
Macht kann sich danach also in jedem Moment neu erfinden:
Einer ergreift das Wort, übt eine Gegenrede — und bekommt Follower. Das verschiebt die Machtverhältnisse. Ob sich das dann stabilisiert ist eine Frage der Wiederholung — und der systemischen Konstruktion. Die Alphaposition ist schon besetzt? Ok, dann gehe ich eben in eine Gegenposition! Die nennt sich in der Rangdynamik Omega. Oder auch Held und Antiheld. Wie im Film kann aus dem einen dann das andere werden…
Die Bewegungsrichtung einer Gruppe ist immer auf ein Ziel gelenkt, ein G wie Gegner — so ist es im ursprünglichen Modell benannt.
Dieser Gegner kann eben auch die Outgruppe sein, gegen die sich die Gruppe formiert.
Ein einzelner Mensch, eine Gruppe. Oder, bei einer produktiven Arbeitsgruppe eine gemeinsame Aufgabe. G könnte dann das “Goal” sein. In jedem Fall verkörpert es eine eigene Position, die bestimmt, worauf sich die Energien konzentrieren. Wer es schafft, die Energie zu lenken, ist das Alpha. Aber eins nach dem anderen:
Positionen in der Rangdynamik: Diese 5 gibt es
Nach Schindler gibt es in jeder Gruppe fünf Positionen, die nicht immer alle besetzt sein müssen – je größer die Gruppe, desto wahrscheinlicher ist aber eine Besetzung aller Positionen, wobei es die meisten Gammas gibt:
Alpha:
Der Anführer, die Anführerin ist der- oder diejenige, der Energien bündet und Ängste bindet. Kraft Dominanz oder Autorität, kraft Rang oder Persönlichkeit. Deshalb muss es nicht die Führungskraft sein. Ihre Entmachtung merkt diese nicht mal. Aber die anderen. Wer Alpha ist sieht ein Beobachter, der wahrnimmt, wen die Menschen bei Entscheidungen ansehen.
Beta:
Der neutrale Experte unterstützt und hilft Alpha in seiner Stellung zu bleiben, verhält sich aber gleichzeitig neutral. Diese Position muss laut Schindler nicht besetzt sein. Beta kann eine Position zwischen Alpha und Omega einnehmen und verbinden. Die Gruppe akzeptiert ihn oder sie. In dynamischen Prozessen sollte es der Moderator oder Coach sein.
Gamma:
Das Gruppenmitglied lässt sich von Alpha leiten. Es steht also, wenn man das bildlich übersetzt mit Blick auf das Alpha, dessen Blickrichtung durch die Orientierung auf G entsteht. Es gibt keine Richtung vor, sondern folgt. Es kann mehrere Gammas geben. Sie entscheiden, wem sie wirklich folgen.
Omega:
Omega ist der Gegenspieler, die Gegenspielerin, der oder die Alpha werden kann – oder von diesem gezähmt in seiner Position gehalten wird. Manchmal wird Omega auch zum Sündenbock oder auch Bauernopfer, wenn er aus dem Team gedrängt wird. Omega verkörpert oft die Antithese, die das Team verfolgt. Wenn dieses beispielsweise harmonisch zusammenarbeitet, könnte Omega den Streit suchen.
„G“ ist Gegner oder Ziel
Ursprünglich war es der “Gegner”, die Anderen. Doch hier muss man Schindlers Modell weiterdenken und in die aktuelle Zeit übersetzen, in der es Teams gibt, die auf Aufgaben orientiert sind — oder sein sollten. In jedem Fall: G bündelt die Kraft der Gruppe und zieht sie in eine Richtung. G kann also integrieren, aber auch für Differenzierung — etwa der Kompetenzen — sorgen, wenn diese Differenzierung beim Erreichen von G hilfreich ist.
Wichtige Unterscheidung:
Es gibt einen fluiden und einen fixierten Zustand. Letzteren nennt Schindler “institutionalisiert”. Fluide bedeutet im Moment. Es kann sein, dass dieselbe Person hier Alpha und dort Omega ist — im gleichen Kontext eines Unternehmens. Autoritäre Alphas sind deutlich fixiert: Wo immer sie auftauchen, richten die anderen sich an ihnen aus.
Machtdynamik bei Veränderung
Bei Veränderungen lösen sich die bisherigen Positionen oder verfestigen sich. Wenn sie sich verfestigen, dann konzentriert sich alles auf Alpha — es gibt immer weniger Bewegung. Das kann man sich im Kleinen wie im Großen denken. Wie ist es im globalen Zusammenspiel der Mächte? Wie lokal in den Gruppen, die sich dagegen oder dafür formieren?
Soziale Systeme erhalten sich. Sie füttern sich also aus sich selbst heraus. Will man sie verändern, so braucht es den Aus- und den Aufbruch. Eine Verschiebung der Positionen. Und vor allem: Die Macht der Follower. Denn diese bestimmen am Ende, wem sie folgen. Oder nicht mehr folgen. In jedem Moment. Und durch Wiederholung.
Mehr zum Thema in meinem Buch “Die Dynamik der Macht”, erschienen 2025. Und praktisch in meinen Masterklassen und Ausbildungen in der Akademie.
PS: Wenn Sie Wissen wollen, wo wirkliche Macht liegt, dann schauen Sie dahin, wo in einem Dilemma auf der Hinterbühne entschieden wird. Also dort, wo sich wirklich etwas bewegt. Alles klar?
Der Beitrag Rang, Rolle, Position: Machtdynamiken, die verändern erschien zuerst auf Svenja Hofert.