„Du musst nur das Ziel im Blick haben!“
“Du brauchst nur eins für deinen Erfolg: Ziele!”
“Setze dir Ziele, dann schaffst du alles!”
Am Jahresanfang gibt es wieder kräftig was auf die Zukunftsohren und vor die Visionsbrille. Da werden Veränderungsformeln wie Messer gewetzt. Nach wie vor beliebt: SMART. Mach es also spezifisch, messbar, aktiv, realistisch und timeboxed.
Das Smartness-Versprechen: Ziele lösen jedes Problem. Svenja Hofert
Ich erinnere mich an eine Unternehmerin, die ein Geschäftsziel smart formuliert hatte. Kurze Zeit später musste sie Insolvenz anmelden: Sie hatte die Problemanalyse vergessen…
In Jahreszielgesprächen werden reihenweise smarte Dinge verabredet, die für keinen der Beteiligten Relevanz haben. Das erkennt man daran, dass sie spätestens nach sechs Wochen vergessen sind. Irrelevante Ziele sind wie Regeln, die keiner einhält: Sie sind kommunikative Ablenkungsmanöver. Man könnte in der Zeit auch über das Wetter reden.
Was gehört zur Kunst der Zielerreichung?
Leider halten sich viele Mythen über Ziele hartnäckig. Manche denken immer noch, Ziele müssten groß und ehrgeizig sein. Aber genau das führt dazu, dass gerade persönliche Ziele nicht erreicht werden. Wir müssen schon genauer hinschauen und sehen, um was es geht. Sind es Unternehmensziele oder persönliche Ziele? Braucht es eine gründliche Problemanalyse oder nicht? Ist eine vorgeschaltete Vision hilfreich – oder nicht? Wenn ich ab KW 1 nur noch zwei Mal in der Woche ein Glas Wein trinken möchte statt bisher fünf Mal, brauche ich dafür weder Problemanalyse noch Vision. Es reicht meine ganz eigene Motivation.
Wenn ich aber mit meinem Unternehmen führend in der KI-Implemtentierung sein will, dann ist nach einer sauberen Standortanalyse die Vision zwingend. Es hilft also, Unterschiede zu machen. Ziele sind also nicht gleich Ziele.
Die Haifische und Krokodile vordenken
Es gab eine Zeit, da war es im Coaching sehr modern, Zukunftsbilder zu entwerfen. Ich musste das immer wieder auffangen, denn diese führten… zu nichts. Ganz im Gegenteil. Die Leute verzweifelten an sich selbst, weil sie es nicht schafften. Zuvor hatten Coaches ihnen Dinge wie “was ich kann, kannst auch du” eingeredet. Das ist natürlich Blödsinn. Und komplett überholt.
Wir müssen die Schwierigkeiten bei der Umsetzung natürlich immer mitdenken. Welcher “Haifisch” hat mir da wieder ein Weinglas auf den Tisch gestellt? Welche kleinen Krokodile stehen mir im Weg, wenn ich morgens zum Yoga will? Für Teams ist das noch mal deutlich komplexer: Sie müssen jederzeit mit “Unbekannten Unbekannten” rechnen. Das sind Dinge, die man nicht vordenken kann, aber sicher kommen.
Wenn ich mir einmal vorgestellt habe, mit einem Krokodil im Nil zu schwimmen, werde ich das wahrscheinlicher tun.
Motivierende Bedingungen schaffen
Das heißt aber natürlich nicht, dass wir alles schwarzsehen sollten. Es geht vielmehr darum, sich realistisch auszumalen, was passieren würde. Keine Horrorszenarien.
Denn bei der Zielerreichung müssen wir uns noch mit einigen Verzerrungen auseinandersetzen. Etwa der Negativitätsverzerrung, nach der wir uns das negative Ereignis merken. Wir merken uns also eher, was wir nicht geschafft haben als das, was gelungen ist. Deshalb leite ich jeden Zielworkshop und jedes Jahresendcoaching mit einem Rückblick ein. Was ist gelungen? Meist sind die Menschen überrascht, wie viel das ist.
Die Vorschau braucht den Rückblick. Svenja Hofert
Deshalb hat die Retrospektive wirklich einen Sinn und Zweck – wenn sie denn gut gemacht ist und begleitet wird.
Den besten Beleg für Gelungenes liefern Daten über den Fortschritt:
Das haben wir schon geschafft!
Das ist bereits gelungen!
Hier sind wir einen Schritt weiter!
Musterchecks
Wer Ziele erreichen möchte braucht die Fähigkeit, Aufmerksamkeit, Emotionen, Impulse und Handlungen zu steuern und zu regulieren. Vor allem die Anpassung eigener Verhaltensmuster ist kein Selbstläufer. Er verlangt das Durchdenken der natürlichen Kreisläufe: Was tun wir? Was tun wir nicht? Und: Was müssen wir beispielsweise weglassen oder hinzufügen, um zu schaffen, was wir schaffen wollen?
Auch die individuellen Interpretationsmuster gehören dazu:
„Ich bin eben nicht gut genug“.
„Ich schaffe das nie (wie die anderen).“
„Wenn ich das wieder nicht schaffe, wundere ich mich nicht (kenne ich ja schon).“
Negative Emotionen annehmen
“Ich habe Angst, dass ChatGPT bald besser ist als ich”., gab eine Journalistin mir gegenüber zu. Und ja, die Sorge ist berechtigt. Es macht keinen Sinn, dass sie sich etwas anderes einredet. Das bedeutet: Es braucht jetzt Anstrengung. Anstrengung aber ist aversiv.
Anstrengung ist aversiv, erfordert also, dass wir durch einen negativen Affekt spazieren
Das tun wir wahrscheinlicher, wenn wir uns mit unserer Angst beschäftigen. Darauf basiert die kognitive Verhaltenstherapie: Die Auseinandersetzung mit den negativen Gefühlen sorgt für Besserung. Und wenn man sich genügend damit beschäftigt hat, kann man sich dem Angstauslöser stellen. Ich habe so meine Spinnenphobie und die Höhenangst in den Griff bekommen. KI empfinde ich nicht als bedrohlich.
Wollen und Nicht-Wollen sind ein Paar
Wenn es um Musterveränderung geht, spielen Kopf und Bauch verrückt – sichtbar wird es an Ausreden:
„Einfach keine Zeit.“
„Schon wieder was dazwischen gekommen.“
„Ich will das ja, aber der Alltag… ihr wisst schon“
Due willst mehr lesen und wissen wie man mit Veränderungsresistenz umgeht? Dann findest du Vertiefung in meinem Newsletter 34 sowie dem Podcast 65.
Der Beitrag Die Kunst, Ziele zu erreichen erschien zuerst auf Svenja Hofert.