AI Literacy in der Schule: So werden KI-Kompetenzen Teil des Unterrichts
JohannaThietje
Do., 27.11.2025 – 12:30
Von Sprachassistenten über Chatbots bis zur automatischen Bilderkennung – Künstliche Intelligenz begleitet Schüler:innen mittlerweile täglich. Doch welche Kompetenzen brauchen sie, um souverän und verantwortungsvoll mit KI umzugehen? Orientierung bietet das künftige AI Literacy Framework der Europäischen Kommission und der OECD. Eine vom Stifterverband koordinierte Taskforce hat aktiv Feedback in den Entstehungsprozess eingebracht.
Ein internationaler Leitfaden für KI-Kompetenzen
Das AI Literacy Framework der Europäischen Kommission und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist ein Leitfaden für KI-Kompetenzen in der Primar- und Sekundarstufe. Es wurde mit Unterstützung von Code.org sowie einer Gruppe aus internationalen Expert:innen entwickelt und im Mai 2025 in einem ersten Entwurf veröffentlicht.
Florian Rampelt, Geschäftsstellenleiter des KI-Campus und Programmleiter für Future Skills & KI beim Stifterverband, wirkt hier als Vertreter aus Deutschland mit. Damit entsteht ein international abgestimmter Bezugsrahmen, der unter anderem auch direkt auf die PISA-Studie einzahlt, in der 2029 erstmals Media & AI Literacy abgefragt wird.
AI Literacy wird wie folgt definiert: “AI literacy represents the technical knowledge, durable skills, and future-ready attitudes required to thrive in a world influenced by AI. It enables learners to engage, create with, manage, and design AI, while critically evaluating its benefits, risks, and ethical implications.”
Das Framework adressiert damit zentrale KI-Kompetenzen – von technischem Verständnis über kritische Reflexion bis hin zu kreativem und verantwortungsbewusstem Handeln – und bietet Orientierung für Lehrkräfte, Schulen und Bildungspolitik, wie diese Kompetenzen gezielt im Unterricht gefördert werden können.
Basierend auf einem umfassenden Feedback-Prozess wird die finale Version des Frameworks im ersten Halbjahr 2026 veröffentlicht. Dabei werden einzelne Kompetenzen und Kompetenzbereiche noch angepasst.
Aktuelle Kompetenzbereiche des AI Literacy Frameworks
Das Framework beschreibt in seiner aktuellen Entwurfsversion vier zentrale Kompetenzbereiche, die Schüler:innen für einen reflektierten Umgang mit KI benötigen: Engage with AI (KI im Alltag erkennen, bewerten und kritisch hinterfragen), Create with AI (KI kreativ und verantwortungsvoll nutzen), Manage AI (entscheiden, wann KI sinnvoll eingesetzt wird) und Design AI (Grundprinzipien von KI-Systemen verstehen, KI-Systeme gestalten und weiterentwickeln). Es verbindet die Dimensionen: Wissen, Fähigkeiten und Haltungen und zeigt in Szenarien konkret auf, wie diese Kompetenzen altersgerecht in der Primar- und Sekundarstufe gefördert werden können.
Grafik: Vier zentrale Kompetenzbereiche aus der aktuellen Entwurfsversion des AI Literacy Framework
Ein praxisnahes Beispiel aus dem AI Literacy Framework stammt aus der Domäne Engage with AI: Schüler:innen sollen lernen, wie KI-Systeme Vorhersagen treffen und Empfehlungen generieren – zum Beispiel auf sozialen Plattformen oder bei Streaming-Diensten. Im Szenario für die Sekundarstufe untersuchen die Lernenden, wie Empfehlungsalgorithmen Informationen filtern und potenziell Perspektiven einschränken können, etwa durch Filterblasen oder algorithmische Verzerrungen.
Das Szenario verbindet technisches Wissen (wie Datenmuster erkannt und verarbeitet werden) mit kritischer Reflexion (welche Inhalte sichtbar werden und welche nicht) und fördert eine neugierige, reflektierte Haltung gegenüber KI. Lehrkräfte können diese Aktivität direkt in den Unterricht integrieren, indem sie Schüler:innen Beispiele analysieren lassen, eigene Empfehlungen kritisch hinterfragen oder kleine Experimente durchführen, um die Funktionsweise von Algorithmen zu visualisieren.
Impulse aus der Bildungscommunity
Um die Sichtweise der deutschen Bildungscommunity einzubringen, hat der Stifterverband eine Taskforce aus Bildungswissenschaft, Schulpraxis und Bildungsorganisationen eingerichtet. Die Taskforce ist aus der Allianz für Lehrkräfte in der Zukunftsmission Bildung hervorgegangen. Gemeinsam wurde ausführliches Feedback zum Entwurf des Frameworks erarbeitet, das nun in die internationale Überarbeitung einfließt.
Foto: Tom Wiedemann / App Camps
Zentrale Fragen und Erkenntnisse
In mehreren Diskussionsrunden wurde das Framework intensiv analysiert. Im Mittelpunkt standen Fragen zur praktischen Nützlichkeit, zum Verbesserungsbedarf und zu möglichen Hürden bei der Umsetzung von AI Literacy in Schule und Unterricht.
Deutlich wurde:
- Lehrkräfte sind Schlüsselpersonen: Sie vermitteln nicht nur Wissen über KI, sondern unterstützen Schüler:innen auch dabei, souverän mit KI umzugehen, den Einsatz der Technologie kritisch zu reflektieren und ethische Entscheidungen zu treffen.
- Praxisnähe ist entscheidend: Leicht zugängliche Materialien und Fortbildungsangebote erleichtern den Transfer in den Schulalltag.
- AI Literacy als Querschnittsthema: KI-Kompetenzen sollten fächerübergreifend gestärkt und mit bestehenden Lerninhalten verknüpft werden – nicht als isoliertes Zusatzthema.
Wie relevant die Frage des Transfers in die Praxis ist, zeigte sich auch beim KI-Summit für Lehrkräfte Anfang November in Berlin. In einem Workshop überlegten Teilnehmende, wie sich Kompetenzen des AI Literacy Frameworks in konkrete Unterrichtsszenarien übersetzen lassen.
Ausblick: Der Weg in die Bildungspraxis
Das AI Literacy Framework wird bis 2026 weiterentwickelt. Für Deutschland eröffnet sich damit die Chance, den Kompetenzerwerb im Bereich KI frühzeitig und systematisch in Schulen, Hochschulen und der Lehrkräftebildung zu verankern.
Entscheidend ist, dass Politik und Bildungseinrichtungen die Rahmenbedingungen schaffen, damit Lehrkräfte diese Kompetenzen gezielt fördern können. Es braucht einen Dialog darüber, was AI Literacy in der Schule konkret bedeutet – und wie Schüler:innen befähigt werden können, KI nicht nur als technisches Thema, sondern als Teil gesellschaftlicher Verantwortung zu begreifen.
Lernangebote mit Bezug zu AI Literacy in Schule auf dem KI-Campus
- Die Welt der KI entdecken (Technische Universität München)
- Schule macht KI (Junge Tüftler)
- KI-Explorables für die Schule (IMAGINARY)
- Erste Schritte mit KI und Datenanalyse (Science on Stage)
Auf unserer Themenseite „KI in der Schule“ finden Lehramtsstudierende und Lehrkräfte viele weitere passende Lernangebote, um das Thema KI im Unterricht zu behandeln.
Viola Geiger
Viola Geiger ist Content- und Communitymanagerin beim KI-Campus. Sie verantwortet die Lernangebotsentwicklung und die Netzwerkarbeit mit dem Schwerpunkt „KI in der Schule“. Sie studierte Mathematik und Kunst auf Lehramt an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der Karls-Universität in Prag. Durch ihre Erfahrungen als Lehrerin und in der Erwachsenenbildung bringt sie eine praxisorientierte Perspektive auf schulisches und lebenslanges Lernen mit. Ihr Fokus liegt auf kreativen, innovativen Lernmethoden und digitalem Lernen.
Stefanie Schlunk
Stefanie Schlunk ist seit 2003 Geschäftsführerin von Science on Stage Deutschland und seit 2011 Vorsitzende von Science on Stage Europe, dem größten Netzwerk für MINT-Lehrkräfte in über 30 Ländern. Sie initiiert und koordiniert internationale Projekte zur Förderung innovativer Unterrichtspraxis mit einem Fokus auf aktuelle Themen wie KI, Nachhaltigkeit und Quantencomputing.

