In letzter Zeit nehmen die ungewollten Begegnungen mit Life Coaching erschreckend zu. Waren es vor einigen Jahren noch vereinzelte Großveranstaltungen einer Handvoll Star-Coaches, findet man die Prediger der Heils- und Sinnversprechen jetzt überall in Social Media. Sie ziehen mit ihren manipulativen Großveranstaltungen und raffinierten Geschäftsmodellen den Begriff „Coaching“ in den Abgrund ziehen.
Ein Posting zu dem Thema bei Linkedin erreichte bis jetzt 500 Likes und fast 30.000 Aufrufe. Viele berichteten von eigener Erfahrung, von der Manipulation und dem Druck der durch die Gruppe entsteht.
Muster Life-Coaching mit Heilsversprechen
- Reißerische Versprechen von Heilung, Sinn, Selbstliebe, Erfolg: Dahinter steckt Religionsersatz, Ideologie und Sektiererei
- Hauptkompetenz Vertrieb & Motivation: Die Typen (leider fast ausschließlich männlich) haben keine Ausbildung jenseits der „Schule des Lebens“ – scheint niemand zu interessieren
- Fokus auf kollektiver Dynamik: Sie lieben Großveranstaltungen, neuerdings an geheimen Orten
- Für jeden passend: Die Preise sind auf Jeans-Niveau, machbar für jede/n.
Was passiert da? Wie kann es sein, dass Menschen so unkritisch sind? Erst einmal: Was dort verkauft wird ist sicher kein Coaching. Es bewegt sich immer auf dem schmalen Grat zwischen positiver Beeinflussung und negativer Manipulation – mit mehr oder weniger großer Tendenz zu letzterem.
Opfer: Menschen auf der Suche
Wenn Menschen auf der Suche nach eigenen Werten sind, sind sie besonders anfällig. Wenn sie überfordert sind, suchen sie nach dem Einfachen. Wir sehen das überall. In der Politik. Aber eben auch im Coaching. Echtes Coaching wäre Arbeit an einem selbst, würde bedeuten, selbst Vorstellungen zu entwickeln. Es ist leichter, einem Guru zu folgen als an sich zu arbeiten. Der Gral ist attraktiver als das eigene Ich.
Wer auf solche Angebote anspringt, weiß oft noch nicht, wer er oder sie ist: Denn: Die eigene Suche fällt zusammen mit einer bestimmten Phase der eigenen Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass man die alten, familiären Prägungen abstreift. Die Frage „wer bin ich wirklich?“ herrscht vor. Es gibt also eine tiefe Verunsicherung, Klarheit wird im Außen gekauft. Anfällig sind außerdem Menschen, die sehr anfällig für kollektive Emotionen und Suggestion – sind und sich wenig abgrenzen können.
Diese Coaches wirken dort, wo wir früher die Religion, den Gott oder die Götter hatten – und nun eine Leerstelle vorfinden. Die Sicherheit, die 3. Instanz, die mir die Richtung gibt, sie fehlt. Mir ist die Kirche da deutlich lieber, wäre sie nicht genauso orientierungslos…
Was mich entsetzt: Vielen von diesen Menschenfängern ist es gelungen das Internet rein von Kritik an sich selbst zu halten. Man findet nichts! Das kann verschiedene Gründe haben.
Warum es kaum Kritik an den Großveranstaltungs-Life-Coachs gibt:
- Die Menschen sehen die Schuld bei sich, wenn das Versprechen nicht aufgeht.
- Der Community-Charakter macht das Ausscheren schwer.
- „Aussteiger“ wollen keine Nestbeschmutzer sein.
- Kritik wird sofort anwaltlich bekämpft.
Denkt nicht, dass das Menschen sind, die bewusst täuschen. Sie glauben selbst daran. Das macht sie nicht weniger gefährlich. Das sprühende Charisma kann und darf inspirieren. Das Problem sind auch nicht die psychisch gesunden Teilnehmenden, die ein wenig Inspiration suchen und sich abgrenzen können.
Eine Kommentatorin, die selbst an einer derartigen Veranstaltung teilgenommen hat, schrieb bei Linkedin folgendes:
Schlussendlich war es eine andere Form der Butterfahrt, statt Heizdecken waren es die nach der Halbzeit zunehmend penetrant an einen herangetragenen, sehr teuren Upgradeprogramme, natürlich immer mit Großgruppenformaten und vor allem viel „Gedöns“, heißt lauter Einpeitschmusik, kollektiv angeordnetem Herumhopsen usw. Habe mich mit Schaudern abgewendet. Und mich nur noch gewundert.
Über die entwicklungspsychologische Dimension informiert mein Buch „Hört auf zu coachen“.
Und sonst: Bitte seid vorsichtig. Bleibt misstrauisch und kritisch.
Der Beitrag 𝐋𝐢𝐟𝐞 𝐂𝐨𝐚𝐜𝐡𝐬, „𝐝𝐢𝐞 𝐋𝐞𝐛𝐞𝐧 𝐫𝐞𝐭𝐭𝐞𝐧“. Eine Branche am Abgrund. erschien zuerst auf Svenja Hofert.